05.07.2012 09:32 Alter: 12 yrs

"Man merkt nichts"

05.07.2012

TENNIS: Wie Profi Richard Becker mit seiner Herzmuskelentzündung umgeht

 

VON JÜRGEN KRÜGER

Macht dann mal Pause

Espelkamp. Der Plan war, ab Mitte Juli in der 2. Bundesliga für den TV Espelkamp aufzulaufen, und sich dann im Herbst für die Australien Open vorzubereiten. Daraus wird vorerst nichts, denn beim Tennis-Profi Richard Becker stellten die Ärzte eine Herzmuskelentzündung fest. Mindestens drei Monate Pause lautet die Verordnung, was der 21-Jährige nicht so einfach wegsteckt.

"Ich war gerade gut drauf", sagt Becker. Zuletzt griff er vor fünf Wochen in Bangkok zum Schläger. Geplant waren drei Turniere, nach dem zweiten jedoch reiste Becker ab. "Ich habe jeweils das Halbfinale erreicht, aber die Belastungen waren sehr, sehr hoch. Das dritte Turnier habe ich ausgelassen und bin nach Bad Oeynhausen zurückgekehrt, um mich etwas auszuruhen", so der 1,97-Meter große Modell-Athlet. Doch aus der zweitägigen Ruhe wurde nichts, denn Richard Becker wurde krank. Der grippale Infekt führte den Rechtshänder zu seiner Hausärztin, die ein EKG veranlasste. Dort stellten sich Unregelmäßigkeiten heraus, und Richard Becker wurde beim Herz- und Diabeteszentrum NRW vorstellig. Das hat seinen Sitz in Bad Oeynhausen, nur einen Steinwurf entfernt von seinem Elternhaus. Die umfassenden Untersuchungen bei der sport-kardiologischen Abteilung von Dr. Klaus-Peter Mellwig bestätigten den Verdacht: Herzmuskelentzündung.Seither macht Richard Becker das, was ein Leistungssportler wahrscheinlich hasst: Nichts. Die fünf Wochen Pause, die der Tennis-Profi bereits hinter sich gebracht hat, wurden verlängert, und nun versucht Becker, irgendwie die Zeit tot zu schlagen. "Für meine Eltern ist das unerträglich", sagt er. Um nicht auch noch seine Verwandtschaft zu nerven, setzte sich er ins Auto und fuhr zu seiner Wohnung nach Frankfurt am Main. Richard Becker gehört der Schüttler-Waske Tennis-University an. Die vor zwei Jahren von den beiden Davis-Cup- Spielern Alexander Waske und Rainer Schüttler gegründete University hat sich nach eigenen Angaben innerhalb kürzester Zeit zu einer der "Top-Tennis-Akademien" weltweit entwickelt. Andrea Petkovic, Victor Baluda oder Sebastian Rieschik sind Namen, die dort zu finden sind. In dieser Woche hilft Richard Becker beim Kinder- und Jugendtraining mit - zumindest soweit er darf. Körperliche Aktivität ist verboten. "Oberste Priorität hat jetzt meine Gesundheit. Und daran halte ich mich auch", sagt Becker. Freunde besuchen, zu den Olympischen Spielen nach London fahren und vielleicht ein paar Schnupperstunden an der Universität Bielefeld nehmen habe er sich vorgenommen. Ziemlich eindimensional für einen Tennis-Profi, der es gewohnt ist, um die Welt zu jetten, nur alle sechs Wochen für ein paar Tage zu Hause zu sein, und der einem knallharten Tagesplan folgt. "Ich stehe normalerweise früh auf und gehe früh ins Bett. Meine Tage waren bislang durchstrukturiert, und ich hatte einen vollen Terminkalender. Jetzt fühle ich mich leer", gibt Becker zu. Die drei Monate werde er auch pausieren, um kein Risiko einzugehen. Eine Herzmuskelentzündung kann trügerisch sein: "Man merkt nichts", sagt Becker, der lediglich einen, für seine Verhältnisse "sehr hohen Puls" feststellt. Ob sich nach diesen drei Monaten Pause seine Krankheit erledigt hat, steht zudem nicht fest.Die sportlichen Konsequenzen dagegen schon. Die am 22. Juli beginnende Saison mit dem TV Espelkamp in der 2. Bundesliga wird ohne Richard Becker durchgeführt werden. Die monatelange Auszeit wird sich auch auf seinen Platz in der Weltrangliste auswirken. Platz 520 wird wohl nicht zu halten sein. Die Quali für die Australien Open, für die ein Weltranglisten-Platz um die 270 benötigt wird, hat der 21-Jährige noch nicht abgeschrieben, auch wenn es "sehr, sehr schwer wird". Den konditionellen Rückstand werde er in zwei bis drei Wochen aufgeholt haben. Schwerer wiegt da schon die fehlende Spielpraxis, die sich auf Ballgefühl und Selbstvertrauen auf dem Platz auswirkt. "Man braucht sehr viele Spiele, um die Defizite wieder auszugleichen", erklärt der Tennis-Profi, der vom Espelkamper Unternehmer Paul Gauselmann gesponsert wird.

Dokumenten InformationCopyright © Neue Westfälische 2012Dokument erstellt am 04.07.2012 um 17:16:51 UhrLetzte Änderung am 04.07.2012 um 18:12:54 Uhr

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